Kann der Besteller auch noch nach erfolgter Abnahme eine Neuherstellung verlangen?


  1. Ältere Rspr

    Die ältere Rspr lehnt einen so weitgehenden Anspruch ab, weil § 633 II 1 einen Erfüllungsanspruch gewähre, der sich durch die Abnahme inhaltlich ändere, indem er sich auf das abgenommene Werk beschränke, weshalb der Unternehmer nur dessen Mängel abzustellen habe.


  2. Neuere Rspr

    Nach der neuen Rspr ist eine Mängelbeseitigung durch Neuherstellung nicht ausgeschlossen.
    Im Vordergrund darf nämlich nicht die begriffliche Unterscheidung zwischen Neuherstellung und Nachbesserung stehen. Maßgebend muß vielmehr der Zweck der im Werkvertragsrecht im Vordergrund stehenden Mängelbeseitigung stehen. Dies bedeutet, daß mangelhafte Leistungen durch mangelfreie ersetzt werden müssen, soweit das erforderlich ist, um insgesamt ein mangelfreies Werk entstehen zu lassen. Daher liegt es in der Natur der umfassenden Mängelbeseitigung, daß sie auch zu einem vollständigen Ersatz der mangelhaften durch mangelfreie Leistungen führt.

    Der BGH verdeutlicht die Sinnwidrigkeit seiner bisherigen Rspr an folgendem Beispiel:
    Ein Generalunternehmer, der ein schlüsselfertiges Haus zu erstellen hat, müßte ein mit schadhaften Ziegeln gedecktes Dach vollständig erneuern lassen; insoweit handelt es sich lediglich um Nachbesserung bezogen auf den Gesamtumfang des Auftrages. Der Generalunternehmer könnte seinerseits dasselbe aber von einem Subunternehmer, der nur das Dach zu decken hätte, nicht verlangen. In der Person des Subunternehmers wäre das Neueindecken Neuherstellung. Dieselbe Mängelbeseitigungsmaßnahme wäre also für den einen Nachbesserung, für den anderen Neuherstellung.


    Die Rechtsnatur des § 633 II 1 als modifizierter Erfüllungsanspruch steht dieser Auffassung nicht entgegen. Auch kann der Abnahme keine so weitreichende Wirkung beigemessen werden. Erkannte und daher bei der Abnahme vorbehaltene Mängel müssen ohne weiteres beseitigt werden, selbst wenn dies eine Neuherstellung erfordert. Dann aber ist kein Grund ersichtlich, warum das bei einem Mangel, der erst nach Abnahme erkennbar wird, anders sein sollte. Die Erklärung der Abnahme kann sich immer nur auf den Kenntnisstand zu diesem Zeitpunkt beziehen. Die Beseitigung unbekannt gebliebener Mängel möchte der Besteller damit nicht ausgeschlossen haben.